Die Kritik des Lobbyismus hat sich in den letzten 15 Jahren in allen Medien verbreitet und ist zu einer allgemein akzeptierten Form der Demokratiekritik geworden. Lobbykratie, die Herrschaft der Lobbyisten, hat sich zum allgemeinen Erkennungszeichen entwickelt. Die moralische Empörung, die sich darin ausdrückt, ist zweischneidig. Sie ist auf der einen Seite notwendig, weil die Demokratie auch mit der Kritik an ungerechtfertigter Machtausübung sich immer wieder erneuern muss. Auf der anderen Seite fördert diese Empörung, wenn sie nur im Gestus der Skandalisierung vorgetragen wird, Verdruss und führt zur Abwendung von der Demokratie. Schnell ist dann der resignierende Satz zu hören: „Das wussten wir schon immer. Wir werden von einer Mafia von Lobbyisten und Politikern regiert.“ Die Kritik der Demokratie schlägt in Verachtung um.

Die Lobbykritik bewegt sich auf einem schmalen Grat. Denn die moralische Empörung kann schnell in ihr Gegenteil kippen. Die beabsichtigte Aufklärung und Reinigung führt dann zu Abwendung, Misstrauen und Demokratieverachtung.

Ich meine damit Bücher und Beiträge in TV-Magazinen: ich möchte hier die Titel und die Stories im Einzelnen gar nicht nennen. Kennzeichen dieser Beiträge ist es aber, dass sie im Gestus der moralischen Empörung vorgetragen werden, vielfach getragen von einem Kampagnenstil. Dies ist zunächst auch richtig und wichtig. Denn die Machtausübung in einer Demokratie muss immer wieder hinterfragt werden und jede Machtausübung muss sich rechtfertigen.

Doch nach 15 Jahren Lobbyismuskritik reicht moralische Empörung heute nicht mehr aus. Sich über ungerechtfertigte Machtausübung zu empören, ist wichtig. Doch dies ist wohlfeil und kann zum Gegenteil dessen führen, was man eigentlich erreichen wollte. Damit bedient man die Gegner der Demokratie.

Lobbykritik ist heute zur politischen Unterhaltung verkommen. Wir genießen die Stories und lehnen uns zurück. Es folgt kein Handeln und vielfach die falsche Gewissheit, dass alles faul und brüchig sei.

Große Unternehmen, häufig sind es Konzerne, vielfach amerikanische, sind beliebte Ziele der lobbyistischen Kritik. Doch sie bleibt ohnmächtig und bewirkt häufig das Gegenteil, wenn sie das Vorurteil untermauert, wir würden von den großen Konzernen regiert. Ohnmacht und Resignation ist die Folge.

Im Kern geht es darum: nach 15 Jahren der Lobbykritik reicht moralische Empörung nicht mehr aus. Denn je schriller die skandalisierende moralische Missbilligung sich gibt, desto hilfloser ist sie und desto mehr befördert sie ihr Gegenteil. Die Kritiker des Lobbying tragen zu etwas bei, was sie eigentlich nicht wollen. Sie sind angetreten, um die Demokratie zu verbessern, tragen mit ihrer Kritik aber zu Demokratieverachtung bei.

Wir müssen einen Schritt weiter gehen: Es kommt heute auch darauf an, Wege aufzuzeigen, wie die Demokratie mit ungerechtfertigter Machtausübung umgehen kann. Heute geht es um die Frage, ob es sinnvoll ist, ein (verpflichtendes) Lobbyregister einzuführen. Dazu notwendig ist auch die Diskussion darüber, was Lobbying ist, denn nur wenn Lobbying genau bestimmt werden kann, erst dann kann es zu einer gesetzlichen Regelung kommen. Es geht heute auch darum, wie bei den einzelnen Organisationen Regeln eingeführt werden können, damit intransparentes Lobbying und Korruption verhindert wird.

Ähnlich ist es mit Korruption. Wer Lobbying mit Korruption gleichsetzt, begibt sich auf eine schiefe Bahn, an dessen abschüssigem Ende die Zerstörung der politischen und gesellschaftlichen Ordnung steht. Der Kampf gegen Korruption ist notwendig, doch wie beim Lobbying reicht Empörung nicht aus. Schritte in Richtung Handlungen und konkreten Veränderungen sind notwendig. Denn Korruption lässt sich nicht durch Empörung verhindern, sondern nur durch konkrete Regeln. Natürlich muss es auch ein integeres Verhalten bei den Einzelnen geben, ebenso eine demokratische Kultur, in die die Handlungen der Politiker und Lobbyisten eingebettet sein muss.

Eine solche demokratische Kultur lässt sich nicht allein aus einer fortgesetzten skandalisierenden Empörung erzeugen. Die moralische Entrüstung ist zwar notwendig, doch es muss ihr eine positive Wendung folgen. In dieser soll der Wert der Demokratie und der Institutionen erkennbar sein. Und es muss deutlich werden, dass diesen Wertschätzung entgegengebracht wird - auch wenn diese nicht perfekt sind.

Die moralische Empörung steht vor einem großen Hinderniss: sie muss dem Lobbying irgendeinen positiven Wert abgewinnen. Dies ist nicht leicht, wenn das Urteilen von moralischen Gewissheiten diktiert wird.